Das TIER in mir

Das TIER in mir
von Dr. Robert M. Stutz, Illustration: Barbara Schrag

Von Dr. Robert M. Stutz, Illustration Barbara Schrag

Verhandeln ist eine Herausforderung. Dies gilt für Gespräche mit Auftraggebern ebenso wie mit Arbeitskolleg*innen, Vorgesetzten oder Angestellten. Als Kreative verhandeln auch Sie täglich. Dabei ist nicht nur WAS Sie sagen von Bedeutung, sondern auch WIE Sie dies tun – „c’est le ton qui fait la musique“.

Verhandeln heisst kommunizieren, weshalb sich hinsichtlich unseres Verhandlungsgeschicks die Frage stellt, welchen Wirkungsgrad dem non-verbalen Anteil zukommt. Dazu gibt es Untersuchungen, die bereits auf die 60er Jahre zurückgehen. So hat Albert Mehrabian, Psychologe und emeritierter Professor der California University of LA, in seiner Forschung festgestellt, dass bei einem Widerspruch zwischen Sachinhalt (WAS) und Art der Kommunikation (WIE), der Körpersprache eine ausschlaggebende Bedeutung beizumessen ist. Er kam dabei auf folgende Wirkungsanteile: 7% verbal content (Sachinhalt), 38% voice intonation (Stimmlage) und 55% body language (Körperhaltung, Gestik, Mimik, Augenkontakt). Aus seiner Studie folg, dass wenn emotional konnotierte Wörter kommuniziert werden und die Art der Kommunikation nicht mit dem Gesagten korreliert, Intonation und Körpersprache viel entscheidender ist als das Wort selber. Schreit man jemandem mit lauter Stimme und Drohgebärde an, wie sehr man ihn liebt, bleibt die negative Wirkung nicht aus. Dieser Schlüssel «7-38-55» wurde oft dahingehend interpretiert, dass unabhängig vom Kontext der Sachinhalt des Gesagten nie mehr als 7% beträgt. Die Untersuchung von Mehrabian fokussierte jedoch auf eine Situation, bei der eine Diskrepanz zwischen verbaler und non-verbaler Kommunikation vorlag. Bei einer Verhandlung steht deren Gegenstand unbestrittenermassen am logischen Anfang der Wirkungskette. Dennoch kommen auch hier Körpersprache, Intonation und Gestik eine zentrale Bedeutung zu, denn oftmals sind wir nicht kongruent in unserer Kommunikation und wir merken nicht, dass unser Körper etwas anderes sagt, als unser Mund formuliert.

Wovon hängt es ab, wie wir kommunizieren? Hierfür gibt es zahlreiche Faktoren, wie etwa meine Werte im Leben, das Umfeld, in dem ich mich bewege, der Ort, wo ich mich befinde, oder meine aktuelle Laune. Bei manchen hat es auch einen Einfluss, was für Kleider sie tragen, ob sie hungrig sind, ob die Sonne scheint oder das schlechte Wetter aufs Gemüt schlägt. Verschiedene Parameter beeinflussen unsere Verfassung und damit auch unsere Körpersprache, was wir im Hinblick auf eine bevorstehende Verhandlung beherzigen können. Wir sind ein klingender und somit kommunizierender Körper, der auch ohne Worte zu artikulieren für und durch uns spricht. Und das Gegenüber nimmt diese Körpersprache wahr, selbst wenn uns dies nicht bewusst ist. Ein weiterer Faktor ist unsere Haltung. Wie schätzen wir uns selber ein und mit welcher Haltung treten wir unserem Vis-à-vis gegenüber? Bin ich zurückhaltend oder aufbrausend, unsicher oder angriffslustig? Fürchte ich mich davor, unverstanden oder ungeliebt zu sein oder freue mich darauf, meine Kräfte mit meinem Gegenüber verbal zu messen?

Wenn Sie spontan wählen können, mit welchem der hier abgebildeten Tiere würden Sie sich identifizieren, um ihren Verhandlungstyp zu beschreiben? Wie würden diese sechs Tiere, deren archetypischen Wesenszüge regelmässig bei Verhandlungen auftauchen, ihre Eigenschaften kommunikativ einbringen? In der Kommunikation zeigt jeder von uns auch mal eine solche „animalische“ Seite und da wir diese Haltung auch nonverbal zum Ausdruck bringen, ist es wichtig, uns dessen bewusst zu sein. Denn nicht jedes Tier in mir ist in jeder Situation adäquat. Während Zurückhaltung und Sympathie von Schaf angezeigt sein mögen, wenn es darum geht, jemandem in einer schwierigen Situation ein Ohr zu leihen, so ist es besser stark und draufgängerisch zu sein wie ein Panther, wenn ich in einem Wettkampf bestehen will. An meiner Selbstwahrnehmung und Haltung kann ich arbeiten, diese lässt sich beeinflussen, indem ich mich mit den Qualitäten assoziiere, die ich unterstreichen und zum Ausdruck bringen will.  So heisst es nicht von ungefähr, sei mutig wie ein Löwe und stark wie ein Bär. Mit solchen Bildern vor dem inneren Auge, wage ich mich zu mehr und wachse über mich hinaus. Und während Sie sich nun vielleicht noch mehr damit anfreunden, in die Haut Ihres Tieres zu schlüpfen, kann es sein, dass Sie bereits den Wind unter ihren Flügeln spüren können, während Sie hoch in der Luft über die Täler gleiten, den unendlichen Horizont bestaunen und den Duft des Waldes tief unter Ihnen in sich aufsaugen. „C’est a prendre ou a laisser“.

Illustration: Barbara Schrag www.hochparterre.ch
  • Schaf – Opfer: Sie halten sich für machtlos und glauben nicht, die Kontrolle über Ihre Handlungen zu haben. So verharren Sie oftmals in ihrem Schicksal, ohne die Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Sie sind überzeugt, in Verhandlungen das Rennen verloren zu haben, bevor es begonnen hat. Dafür begegnet man Ihnen meist wohlwollend und Sie geniessen die Sympathie des Gegenübers.
  • Panther – Krieger: Sie beweisen Stärke und Mut und leben den Grundsatz, «wo ein Wille ist, ist auch ein Weg». Sie scheuen die Herausforderung nicht, sondern suchen diese geradezu, um die eigene Kraft mit dem Gegenüber zu messen und sich wortgewandt ins Zeugs zu legen. Womöglich entgeht Ihnen die Sensibilität in der Kommunikation und der Teamgeist ist von minderer Wichtigkeit.
  • Fuchs – Jäger: Sie sind schlagfertig und gerissen. Jägerinnen sind gute Beobachterinnen, verstehen es, das Gegenüber mit sprachlichem Geschick zu verunsichern und gar zu verwirren. Sie verhandeln Finanzfragen mit Bedacht. Der Konflikt in der Verhandlung wird zum Spiel, dabei nutzen Sie Ihre Schnelligkeit und Sprachgewandtheit. Auch Tricks und Fallen gelangen zum Einsatz.
  • Opossum – Angsterfüllt: Sie zeigen sich in Verhandlungen oft als schüchterne Mauerblümchen. Oft lähmt die Angst vor Veränderung und hindert Sie daran, an den eigenen Erfolg zu glauben. Aus Angst fehlt auch der Mut, sich auf Neues einzulassen, etwa wenn das Materielle nicht abgesichert ist. Sie werden kaum negativ überrascht und wissen um die lauernden Gefahren.
  • Adler – Herrscher: Sie stehen über der Sache und leben die Unabhängigkeit auch in der Verhandlung. Aufgrund Ihrer Distanz behalten Sie den Überblick und wägen die Worte sorgsam ab, auf den eigenen Vorteil bedacht. Es ist zu empfehlen, ab und zu die Nähe zum Gegenüber zuzulassen und vom elfenbeinernen Turm herabzusteigen, dies dürfte zusätzliche Verhandlungserfolge bescheren.
  • Schimpanse – Schöpfer: Experimentierfreude und Kreativität sind Ihre Markenzeichen. Sie wollen ihre Visionen in die Tat umsetzen und suchen in der Verhandlung konstruktiv nach Lösungen. Spass darf nicht fehlen, weshalb Sie in der Kommunikation auch mal unkonventionelle Wege gehen. Dabei ist der Kompromiss auch mal wichtiger als der individuelle Profit.

Dr. Robert M. Stutz ist Rechtsanwalt und Mitinhaber der Anwaltskanzlei Beutler Künzi Stutz AG. Als Coach und Trainer leitet er Workshops zur „Kunst des Verhandelns“. Wer Interesse hat, sein Verhandlungsgeschick zu verbessern, findet aktuelle Kursangebote unter www.torneys.ch