Zwei Sichtweisen und ein Praxinoskop

Unser Auge in Bewegung

Von Vladimir Malogajski
Lichtspiel/Kinemathek Bern

Von Linsen und Facetten
Dass sich Das Tier in mir stets biologisch anpassen muss und mir trotzdem treu bleibt, ist seit Darwin weitgehend bekannt. Unsere Augen beispielsweise, welche ein drehendes Praxinoskop beobachten – ob im ehemaligen Bärengraben oder im Bärenhaus im Dählhölzli – gehen auf eine über fünfhundert millionenjährige Evolutionsentwicklung zurück. Was am Anfang eine Sensoren-Grube war, ist heute unser hochentwickeltes Linsenauge geworden, das uns, der Umgebung angepasst, sicher durch das Leben leitet.

Ein anderer Entwicklungsweg führt zum Facettenauge und zum sogenannten Mosaiksehen. Ein solches Auge besteht aus bis zu zehntausenden Einzelaugen, welche mit Teilausschnitten ihren Beitrag zum Gesamtbild tragen. Diese Augen sind bei Krebsen und Insekten, wie z. B. Bienen und Fliegen zu finden. Das Facettenauge ist bei fliegenden Insekten im Vergleich zu unserem Linsenauge in der Lage, viermal schneller zu sehen.

Während wir uns bereits mit 16 Bildern pro Sekunde (60Hz) zufriedengeben, um eine kontinuierliche Bewegung wahrzunehmen, ist dies für eine Fliege bestenfalls eine Diashow. Das Facettenauge verarbeitet die eintreffenden Reize im Takt von 250 Hz, und das bei einem Gesichtsfeld von fast 360o. Das menschliche Gesichtsfeld beträgt nur 175 o.
Das Praxinoskop ist unserem Sehvermögen angepasst. Eine Trommel dreht sich mit Reihenbildern in zyklischer Abfolge. Diese Bilder sehen wir über ein Spiegelprisma.

Praxinoskop im Lichtspiel Bern

So bekommen wir ein jedes Bild nur für kurze Zeit zu Gesicht, denn es wird sogleich von einem nächsten ersetzt. Unsere Wahrnehmung verbindet nun all diese Eindrücke in eine sinnvolle Einheit: in eine Bewegung.

Emile Reynaud und Eadweard Muybridge
Das Praxinoskop wurde 1877 in Paris vom Franzosen Emile Reynaud erfunden und vermarktet. In seinem Gerät reihten sich von Hand gezeichnete Bilder aneinander (wie in einem Zeichentrickfilm). Gleichzeitig machte Eadweard Muybridge auf der anderen Seite des Atlantiks in Kalifornien die ersten fotographischen Reihenbilder.Quer über eine Pferderennstrecke spannte er in kurzen Abständen Seile, welche mit dem Auslöser mehrerer entlang der Strecke angebrachten Fotoapparate verbunden waren. So konnte er den Bewegungsablauf eines galoppierenden Pferdes photographisch festhalten.
Diese Erfindungen kündigten das baldige Kommen des Kinofilmes an.