Analog? Praxinoskop!

Wenn digitale Vorarbeit am Ende zu einer analogen Umsetzung kommt: ein Experiment

Von Rodja Galli, Expoforum GmbH

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Draussen bei den Tieren
Das Konzept der Ausstellung DAS TIER IN MIR – im Aussenraum des Tierparks Dählhölzli und im Bärenpark Bern – sah eine Umsetzung ohne Ton und Bildschirme vor. Nur die Vitrinen-Boxen sollten künstlich beleuchtet werden. Zum Ausstellungsvorhaben im BärenPark gehörten auch 4 Säulen mit eingebauten Praxinoskopen. Die Säulen sollten einen flexiblen Standort haben, sprich verschiebbar sein. Challenge accepted!

Praxino-was?
Das Praxinoskop ist ein von Émile Reynaud um 1877 entwickeltes Vorläuferverfahren der Kinematographie: Mittels eines zentrierten, konischen Spiegelzylinders (mit meist 8 oder 12 Spiegeln) wird ein Bildstreifen/Bildkreis eines zyklischen Bewegungsablaufs per Drehung an die Betrachtenden zurück geworfen, um so die Illusion von fließender Bewegung zu erzeugen. Praxinoskop, Zoetrope und andere, ähnliche Konstruktionen, genossen im 19. Jahrhundert hohe Popularität und waren meist im Rahmen von Wandershows oder in Kuriositätenkabinetten anzutreffen.

Upcycling & Manufacturing
Die vier grossen Kunststoffrohre, in welche die Praxinoskope der Ausstellung DAS TIER IN MIR eingebaut sind, wurden aus Gründen der Nachhaltigkeit (Stichwort Upcycling) von einem früheren Projekt übernommen und dienten zuvor als Leuchtsäulen. Deshalb konnten wir uns nicht einfach an eine bereits vermasste Bauanleitung aus dem Internet halten.

Wir wollten die Praxinoskope mit einem analogem Kurbelantrieb in die Kunststoffrohre hineinbauen lassen. Für diese Aufgabe konnten wir den Berner Tüftler und Kinderspielplatz-Spezialisten Tinu Baud und den vielseitigen Designer Pinto Galli gewinnen.

Mensch wird Tier wird Mensch
Inhaltlich sollten in den Praxinoskop-Säulen vier tierbezogene Sprichwörter als zyklische Metamorphosen von Tier zu Mensch und zurück dargestellt werden.
Die illustrative Entwurfsarbeit und Reinzeichnung konnte ich weitgehend digital, respektive am Computer umsetzen. Ich skizzierte die Bewegungsabläufe der Metamorphosen Bild für Bild in ein Trapez und testete den Skizzenablauf in einer Loop-Ansicht. Heute existiert eine Vielzahl von Animationsprogrammen, welche Bewegungsabläufe und Morphing selbstständig berechnen könnten.

Mein Anspruch lag aber darin, dass auch jedes Einzelbild der Metamorphose für sich bestehen kann – ohne Bewegungsunschärfen und Zufallsformen.

Zudem hebelt die mechanisch-analoge Umsetzung des Praxinoskops viele aus der digitalen Film- und Animationswelt bekannte Regeln aus. Am Ende entscheiden Drehgeschwindigkeit, Winkel und Grösse der Spiegel, Lichteinfall und natürlich die Qualität der Einzelbilder über einen flüssigen Ablauf der Animation. So blieb uns nicht viel anderes übrig, als zu testen, testen, testen: Konusformen, Reflexionswinkel, Bilderanzahl, Abstände, Sichtbereich, etc.

Jungs, es bewegt sich!
Zu unserem Glück beriet mich Vladimir Malogajski von der Kinemathek Lichtspiel ausführlich. Gedruckte Testscheiben mit den Illustrationsentwürfen lieferten gemeinsam mit Prototypen der Spiegel-Konusse weitere Erkenntnisse. Dies bedeutete für mich am Ende, die Bilderzahl auf 12 Trapeze festzulegen und die einzelnen Bildsequenzen immer wieder anzupassen und zu vereinfachen.
Bis zur definitiven Montage der Praxinoskop-Säulen wussten wir nicht mit Sicherheit, ob meine abschliessend auf eine Scheibe gedruckten Illustrationen mit der von Tinu Baud und Pinto Galli entwickelten Mechanik wirklich flüsslig laufen würden.

Umso grösser war die Freude, als beim ersten Kurbeln der eingebaute Transformator das Licht anwarf, die Scheiben drehten und die Metamorphosen (nach ein paar Feinjustierungen an der Geschwindigkeit) in animierten Zyklen zu sehen waren.

Lust zum Kontrollverlust
Im Ausstellungsbereich arbeiten wir grundsätzlich genau, planen bis ins Detail und versuchen, nichts dem Zufall zu überlassen. In diesem Sinne schätze ich die Erfahrung sehr, bei diesem Projekt einfach mal ausprobiert haben zu dürfen und dem Wissen der Fachleute und einem positiven Gefühl vertraut zu haben. Deshalb an dieser Stelle: Herzlichen Dank an Tinu, Pinto, Vladi & Expoforum und ein Hoch auf die Unberechenbarkeit! 
Heute stehen Praxinoskop-Säulen im Bärenhaus des Tierparks Dählhölzli, Bern.

Ausstellung DAS TIER IN MIR 
im Tierpark Dählhölzli 
noch bis am 31. Dezember 2019